Seltsame Gebräuche – Dysfunktionalität als Kulturgut?

Infrastruktur und ihr Missbrauch

Seltsame Gebräuche manifestieren sich zwischen Unverständnis einer Technologie und der Notwendigkeit, diese täglich zu benutzen. Dabei findet die menschliche Kreativität nie gedachte Arten des Umgangs und erzeugt Unfug in beachtlichem Ausmaß. Ein paar Beispiele?

Beispiel: Comic Sans MS

Ein Microsoft-Mitarbeiter entwickelt für eine dumme User-Interface-Idee eine Schriftart, die ein wenig wie die Sprechblasen aus Comics aussieht. Diese Schriftart Comic Sans scheint der weniger technikaffine Computernutzer als untechnisch, warm und gemütlich wahrzunehmen, denn genau wie er sein Heim mit Gelsenkirchener Barock „rustikal“ gestaltet, werden Handzettel, Einladungen und Mitteilungen in dieser und nur in dieser Schriftart gesetzt. Kitsch gegen Ästetik 1:0 ….

Beispiel: Powerpoint

Produkte der Firma Microsoft scheinen, sei es ob ihrer Ominipräsenz oder ob ihrer immanenten Logik, Missbrauch zu begünstigen. So wird das viel verwendete Präsentationstool Powerpoint nicht nur dazu benutzt, fehlende Redebegabung und Didaktik von Vortragenden zu verschleiern, was sein intendierter Verwendungszweck sein dürfte, sondern in noch größerem Maße zur Herstellung völlig sinnloser witzig oder besinnlich gemeinter Präsentationen, welche nicht vorgetragen, sondern per E-Mail versandt werden, gerne an alle Kollegen oder das ganze Adressbuch. Der Hauptzweck scheint darin zu bestehen, großzügig dimansionierte Netzwerkkapazitäten auszulasten. Rechnerisch bekommt bestimmt jeder die gleiche Präsentation mehrfach, das Ganze nervt eher als dass es amüsiert und verbraucht unglaublich viel Bandbreite und Speicherplatz, nicht gerechnet die Arbeitszeit, die dabei drauf geht und weder für den Arbeitgeber nützlich ist noch wirklich Pausenzeit für den Mitarbeiter. Digitales Messietum gegen Produltivität 1:0 …

Beispiel: Text als Grafik in Facebook

Man nehme ein Zitat einer populären Persönlichkeit, einen Aphorismus oder einen dummen Spruch, schreibe ihn nieder, setze ihn vorzugsweise in Comic Sans (klar, siehe oben) vor einen kitschigen Hintergrund und teile das auf Facebook. Ganze Communities tun nichts anderes als diese Sprüchebilder immer wieder weiter zu teilen, zu liken und zu kommentieren. Natürlich macht es warme Gefühle, wenn Peter aus der 3a den Spruch vom Dalai Lama auch mag – aber ist Peter dadurch ein besserer Mensch, bin ich ein besserer Mensch oder will ich deswegen mit Peter mehr zu tun haben? Kompletter Blödsinn, erspart ausserdem noch das selber denken, wenn man in Zitaten kommuniziert. Zeit- und Ressourcenverschwendung  gegen Originalität und Kreativität 1:0 …

tl;dr

Man kann Computer sehr schön dazu benutzen, das digitale Gegenstück zum röhrenden Hirschen überm Sofa bei maximaler Verschwendung digitaler Ressourcen zu erzeugen.