Eine Liebeserklärung an ein schnell gealtertes Medium
1962 entwickelte Pilips die Compact-Cassette, 1963 wurde sie der Öffentlichkeit anlässlich der IFA vorgestellt. Anfang der 80er Jahre zog sie dann dank bezahlbarer Abspiel- und Aufnahmegeräte in die Jugendzimmer ein und wurde das prägende Medium einer Generation …
Cassetten ermöglichten, Musik aufzunehmen. Das war neu – Tonbandgeräte waren teuer und etwas für Profis oder entsprechend vermögende Hobbyisten, unerrreichbar für normale Jugendliche. Auch wer kein Geld für Schallplatten hatte, konnte nun seine Lieblingsmusik im Radio oder bei Freunden aufnehmen und sie hören, wann immer er wollte. Stundenlang saß man am Radio und schnitt Rockpalast oder Marathon-Wunschsendungen mit. Der Cassettenrecorder stand ganz oben auf der Wunschliste und war wichtigster Besitz. EIn Großteil des Taschengeldes ging für Leercassetten drauf …
Zunächst mit sperrigen Radiorecordern, später dann via Walkman wurde Musik transportabel. Auf Klassenfahrt packte Mutter Tempotaschentücherpäckchen in alle Kofferritzen, die wurden dann bis auf eines durch Kassetten ersetzt. Prioritäten mussten gesetzt werden. Der Busfahrer musste dann dann durch …
Man konnte nun eine oder eineinhalb Stunden seiner Lieblingsmusik in der Jackentasche mitführen, auf Partys abspielen, der Freundin schenken. Man konnt ein Statement setzen. Mixtapes ermöglichten, seine Stimmungen und Gefühle auszudrücken, Stil (oder eben keinen) zu beweisen und individuelle Geschenke zu machen. Die Cassette war definitiv das Medium. Im ersten Auto war das Autoradio mit Cassettenabspieler dann manchmal teurer als die Schrottmöhre selbst …
Und nun? Musik ist immer verfügbar, jedes Smartphone erlaubt locker, immer soviel mitzunehmen, wie damals auf dem Bücherbrett oder im „Cassettenkarussell“ oder im Cassettenkoffer unter dem Bett als Musikschatz gehütet wurde. Mixtapes muss man nicht mehr machen, da man sich jederzeit eine Playlist aus einem riesigen Gesamtbestand zusammenstellen kann …
Ich besitze immer noch ein Tapedeck, und gelegentlich höre ich mal eine alte Cassette. Aber das ist Nostalgie, genauso wie der Schallplattenspieler. Meistens kommt die Musik inzwischen von der Festplatte. Aber ein bischen schade ist das schon, und manchmal vermisse ich das Gefühl des analogen Mediums.