Da lebt man in einer Gemeinde mit seit Jahren etablierter rot-grüner Verwaltung, sie kaufen das Stromnetz zurück, fördern alternative Energien und machen alles Mögliche. Gute und sinnvolle Dinge. Wo nichts erkennbar wird, ist da, wo es im Alltag am meisten wehtut.
In zwei Dörfern unserer Gemeinde ist der Einkaufsmarkt in den letzten Jahren umgezogen, von zentral im Dorf nach draussen auf die grüne Wiese. Neben der Landschaftszerstörung bedeutet das eine massive Verschlechterung der Lebensqualität für die Bewohner.
Besonders leiden diejenigen, die weniger gut zu Fuß sind, und diejenigen, die ihre Einkäufe zu Fuß machen möchten und müssen.
Die Einkaufsmärkte ausserhalb der Gemeinden richten sich ausdrücklich nur an Autofahrer, nur für diese sind sie eingerichtet und ausgelegt.
Statt direkt in der Nachbarschaft zentral einzukaufen, muss man über Feldwege und halb ausgebaute Straßen ohne Gehweg durchs Industriegebiet an parkenden Fernlastern und abgemeldeten Anhängern vorbei zum Einkaufsmarkt, landet dann an dessen Hinterseite mit Lieferrampe und Müllcontainern.
Da fühlt man sich richtig willkommen als Fußgänger, ich frage mich, wie die alten Damen, die hier fast täglich mit ihren Rollatoren herumspazieren, das bewältigen.
Bei Schnee und Dunkelheit ist der Weg schwer zu bewältigen – neulich war die Straße komplett vereist, und auf dem Rückweg wollte dann ein Lastzug zur Nachtruhe einparken.
Eine lebenswerte Gemeinde sollte dafür sorgen, dass alles Lebenswichtige zu Fuß und zentral erledigt werden kann. Allein eine zentrale Einkaufsmöglichkeit, die man gerne ohne Auto benutzen mag, würde eine große Ersparnis an fossilen Treibstoffen und eine Verbesserung der Luftqualität bedeuten – waren das nicht mal grüne Kernthemen? Kann man nicht ein Industriegebiet so ausweisen, dass da keine „Endkundengeschäfte“ sein dürfen? Kann man es nicht verpflichtend mache, dass das Geschäft per ausgebautem Gehweg zugänglich sein muss? Gibt es da wirklich keine Mitsprache, keinen Gestaltungsspielraum oder ist das den Verantwortlichen einfach egal?
So wie das jetzt, nicht nur hier, sondern überall läuft, ist das unsozial und unökologisch.
Das Problem ist nicht ganz einfach zu lösen. Gerade in den beiden betroffenen Dörfern ist ein Einkaufen zu Fuß wegen der Größe und in einem Fall auch wegen der Topographie nur für eine geringe Anzahl der Bewohner wirklich praktikabel. Da ist es schon hilfreich, wenn ein Supermarkt eine entsprechende Verkehrsanbindung und Parkmöglichkeiten hat. Im Nachbardorf dürfte die neue Lage da eine deutliche Entlastung der vorherigen Nachbarschaft ergeben haben. Es macht auch einen gewissen Sinn, einen Supermarkt so groß zu bauen, dass eben nicht 90% der Bevölkerung dann doch nach Marburg pilgert, weil nur dort mit einem Weg alles zu bekommen ist, was man so braucht. Aber ein großer Supermarkt braucht auch einen entsprechenden Zulauf. Das dürfte das primäre Argument der Betreiber für den jeweiligen Standort und dessen Infrastruktur sein. Aber das ist die alte Diskussion über Pro und Contra von Geschäften auf der grünen Wiese.
Trotzdem ist es extrem ärgerlich, wenn man als loakl denkender und handelnder Mensch quasi zum fahren gezwungen wird. Die Rollator-Damen sind nun mal nicht motorisiert (zum Glück) und manch einer würde ja vielleicht auch mal einen gewissen Weg zu Fuß in Kauf nehmen (vielleicht auch der eigenen Gesundheit zuliebe). Dazu müssen aber die Verkehrswege für Fußgänger entsprechend ausgebaut und gestaltet sein. Das ist Aufgabe der Gemeinde, an der sie sich auch messen lassen sollte. Der Händler wiederum sollte sich schon einmal Gedanken um sein Erscheinungsbild machen. Ist ja auch ’ne Aussage, wenn die Leute vor Ort per pedes SO empfangen werden. Da möchte man ja fast ins Auto steigen und zum Einkaufen ins Nachbardorf fahren (wenn man doch eh‘ fahren muss….). Da sollten sich Händler und Gemeinde vielleicht mal zusammen setzen und etwas Phantasie walten lassen.
Das ist aus Sicht von Ökologie und Nachhaltigkeit wirklich nicht tragbar – aber alles in allem auch für die Bürger scheinbar wirklich nicht praktikabel.
Das Problem ist leider oftmals ganz einfach, dass die Versorgung auf einem anderen Weg nicht effizient wäre oder nicht effizient genug. Wenn ein Supermarkt merkt, dass er außerhalb des Dorfes viel weniger für sein Grundstück bezahlt und die Leute trotzdem kommen (weil sie keine Wahl haben), dann wird er zwangsläufig nach draußen ziehen
Das gleiche Problem gab es vor einiger Zeit in der Bio Branche, als Bio Lebensmittel noch nicht so beliebt waren. Man konnte sie eigentlich nur online kaufen oder in speziellen Biomärkten aber nach einer gewissen Zeit nahm ihre Beliebtheit zu und sie wurden auch in ganz normalen Supermärkten verfügbar. Es entstand ein Anreiz für die Supermarktketten.
In dem Fall vom oben erwähnten Dorf müssten die Bürger als ebenfalls einen Anreiz für den Supermarkt schaffen, ins Dorf zurückzukehren. Nämlich nichts mehr zu kaufen bis er wieder dort ist.