Vom Wert der Arbeit
Die Ausgangssituation
Im Kapitalismus müssen Menschen, die keine anderen Ressourcen haben, ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, um dagegen das Lebensnotwendige einzutauschen. Diese Praxis ist eine elementare Notwendigkeit, so lange es keine alternativen Möglichkeiten der Existenzsicherung gibt.
Der traditionelle Umgang damit
Da der Besitzlose dem Besitzenden gegenüber in einer eher schwächeren Position ist, gibt es aus der Arbeiterbewegung entstandene Organisationen, die Gewerkschaften, die versuchen, diese Nachteile aufzuheben. Dies geschieht durch Solidarität, dadurch, dass die, die in Arbeit sind, gemeinsam für bessere Bedingungen einstehen. Leider klappt das in der Praxis weniger gut.
In einer Gesellschaft, in der Arbeitsplätze eine knappe Ressource sind, kommt es zu einer „Solidarität der Besitzenden“. Arbeitsplatzinhaber schotten sich nach unten gegen die ab, die keinen Arbeitsplatz haben. Arbeit haben wird zum Statussymbol, damit wird die Arbeit selbst aufgewertet von der Notwendigkeit, für den Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, zum Lebenszweck.
Diejenigen, die das nicht geschafft haben oder ihre Arbeit verloren haben, haben nach dieser Logik ihren Lebenszweck verloren. Wenn man etwas für sie tut, dann versucht man sie, in Arbeit zu bringen. Verbrämt und flankiert wird das mit protestantischer Arbeitsideologie, mit dem Postulat des Wertes der Arbeit an sich als Lebenssinn.
Konsequenzen
Damit machen sich Gewerkschaften und Arbeiterbewegung zum Handlanger derer, die den Preis der Arbeit niedrig halten wollen. Wenn Arbeit als solche schon so wertvoll ist, wieso soll man dann dafür bezahlen? Müssten nicht die, die arbeiten wollen, dann für diese Gelegenheit bezahlen? Genau das scheint derzeit großflächig zu passieren – man lässt Leute ohne Lohn in öffentlich bezahlten Praktika und Arbeitsgelegenheiten arbeiten, Hauptsache Arbeit. Dass eigentlich die Erzielung eines auskömmlichen Lebensunterhaltes Sinn des Ganzen war, fällt dabei einfach unter den Tisch.
Menschen vergeuden ihre Lebenszeit in sinnlosen Maßnahmen, während anderswo wichtige Arbeit ungetan bleibt (beispielsweise im Umwelt- und Tierschutz, in der Sozialarbeit und Erziehung, im künstlerischen Bereich), weil dafür keiner bezahlen will oder kann.
Lösungsmöglichkeiten
Letztendlich bleiben systemkonform zwei Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Entweder finanziert man immer weiter Arbeitsgelegenheiten für größer werdenden Bevölkerungsteile und nimmt dafür immer mehr von denen, die noch Arbeit haben (was deren Einkünfte beschneidet, der Binnennachfrage schadet und den Kostendruck erhöht, damit auch wieder das Lohnniveau senkt) oder man entkoppelt Arbeit zumindest teilweise vom Einkommen. Dies ließe sich durch Konzepte wie bedingungsloses Grundeinkommen oder negative Einkommenssteuer verwirklichen, die eine Chance böten, aus dem Teufelskreis der Alternativlosigkeit und der immer stärkeren wirtschaftlichen Entwertung der Arbeit auszusteigen. Bedingungsloses Einkommen ließe Menschen die Freiheit, eine Arbeit zu tun, die sie sinnvoll finden, egal ob oder wie gut sie bezahlt würde. Sie gäbe Menschen die Chance, eine Arbeit sein zu lassen, die sie krank macht oder nicht befriedigt. Wir würden kreativer, produktiver und gesünder sein.
Plädoyer
So, wie es jetzt ist, geht es nicht weiter. Die Schere zwischen arm und reich wird größer, der soziale Frieden steht auf dem Spiel. Wenn wir nicht im Chaos versinken wollen, muss etwas passieren. Wir müssen ideologisch das 19. Jahrhundert verlassen und eine gerechte und stabile Gesellschaft für das 21. Jahrhundert schaffen, oder wir werden untergehen und den nächsten Generationen ein dunkles Zeitalter hinterlassen.
Hallo, ein super Artikel deine Ansichten gefallen mir. Im Prinzip hat sich seit der Antike nichts geändert. In einem Lied von Farin Urlaub heißt es auch „Warum sind wir so arm mein Kind? Weil wir nicht im Besitz der Produktionsmittel sind“. Ich habe selbst zwei Jahre lang kostenlos als Redakteur für ein bekanntes Magazin gearbeitet in der Hoffnung entdeckt zu werden, im Nachhinein verschenkte Zeit. Liebe Grüße Vroni.