Angeregt von Tim Pritloves wunderbarem drei Stunden langen Interview mit dem Hobbybrauer Andreas Bogk habe ich ein wenig zum Thema Bier recherchiert. Was dabei zutage kommt, ist manchmal unappetitlich und zeigt wieder einmal, wie Desinformation funktioniert und Menschen dazu bringt, wider jede Vernunft und Logik Positionen einzunehmen, die ihren ureigensten Interessen zuwiderlaufen.
Der Mythos
Redet man mit Leuten über Bier, kommt bis in aufgeklärt-internationalistische Kreise ein Stolz auf das deutsche, nach dem Reinheitsgebot gebraute Bier zu Tage. Biertrinker aller Länder seien neidisch auf die Situation, Bier sei überhaupt das gesündeste und natürlichste Lebensmittel, ein reiner Göttertrank.
Das lässt sich schon nach einigen Bieren nicht ganz glauben, nüchtern wird da erst recht kein Schuh draus.
Bier wurde schon seit Urzeiten gebraut, Brauen ist neben Backen eine der ältesten Zubereitungen von Lebensmitteln. Es ist nahrhaft und sättigend. Allerdings enthält es das Nervengift Alkohol, und sein Hopfenanteil sorgt bei übermäßigem Konsum für einen Überschuss an Östrogenen, weiblichen Hormonen. Des Mannes liebster Trunk ist also nicht zwingend sein bester Freund – gesund ist Bier eher für Frauen im Klimakterium ;-).
Schutz der Gerstenbauern oder Bekämpfung von Weizenmangel und Hunger?
Das Reinheitsgebot genießt einen guten Ruf als „ältestes Lebensmittelschutzrecht“. Allerdings ging es nie um Lebensmittelschutz – die Bayerische Landesordnung von 1516 reguliert eher ein Verteilungsproblem: der für die Brotproduktion und Volksernährung notwendige günstige Weizen sollte vor den Brauern „gerettet“ werden, gleichzeitig sollten Gerstenbauern einen Absatzmarkt für ihr aufwändiger zu produzierendes, teureres Produkt erhalten. Wirtschaftspolitisch formuliert handelt es sich hier um puren Protektionismus, bestehende Wirtschaftsstrukturen sollten geschützt und zementiert werden.
Schon 1548 (Weizenbier), 1551 (Koriander und Lorbeer) und 1616 (Salz, Wacholder und Kümmel) wurde die Vorschrift aufgeweicht, eine Kontinuität des Reinheitsgebotes ist ein Mythos.
Bayerns Brauer erpressen den deutschen Bund
Bis zur Reichsgründung 1871 war das auch eine rein bayrische Angelegenheit.
Eine Aufnahme des Reinheitsgebotes gehöret wohl zu den Bedingungen für den Beitritt Bayerns zum deutschen Reich. Auch da dürfte es um die Interessen der bayrischen Brauer gegangen sein und nicht um die der Bierkonsumenten. In seiner heutigen Form regelte das Deutsche Biersteuergesetz (BierStG) vom 9. Juli 1923 in der Fassung des Jahres 1952 mit seinem § 9 Abs. 1 das Reinheitsgebot für die Bundesrepublik Deutschland.
Keine Qualitätskriterien im Reinheitsgebot
Was steht nun drin? Für untergäriges Bier waren Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser als Zutaten zugelassen. Für obergäriges Bier waren auch andere Malzsorten sowie definierte Zuckerarten und Farbstoffe erlaubt. Nichts steht darüber, in welcher Qualität die Rohstoffe vorliegen.
Gentechnisch modifizierte Hefe und künstliche Filterstoffe
Zum Beispiel entpricht ein mit genetisch veränderter Hefe produziertes Bier dem Reinheistgebot.
Schlimmer noch ist der §9 VI vBierG: demnach dürfen „Klärmittel für Würze und Bier … verwendet werden, die … bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden“. Als Klärmittel wird z. B. gerne der Kunsstoff Polyvinylpyrrolidon verwendet.
Bier als „reines Lebensmittel“?
Damit hat sich der Mythos vom Bier als naturreinem Lebensmittel gründlich erledigt – das Reinheitsgebot entpuppt sich als Nebelkerze erster Güte. Willkürliche Restriktionen statt klarer Kennzeichnungspflicht machen es dem Genießer schwer, zu entscheiden. Gerade das Reinheitsgebot steht einer wirklichen Transparenz entgegen.
Mein Bier?
Was macht man nun als aufgeklärter Biertrinker mit diesen Informationen? Nun ja, ein wenig kann jeder tun. Ich schaue zuhause und unterwegs nach Bieren aus lokalen, kleinen Brauereien, statt ein großes Industriebier zu kaufen. Trinkt das Bier von hier, solange es ein wirklich lokales Bier gibt!
Oder sich schaue in Kneipen nach Spezialitäten aus kleinen Brauereien. Gerne auch aus dem Ausland – mich interessiert, was drin ist, nicht das „Reinheitsgebot“. Ich trinke insgesamt weniger Bier, dafür aber gerne mal ein hochwertigeres Spezialbier.
Zum weiter informieren:
Natürlich habe ich hier das Thema nur angerissen, deshalb gibt es diesmal eine ausführlichere Linkliste.
Zum Reinheitsgebot:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reinheitsgebot
http://www.gesetze-im-internet.de/bierv/BJNR013320990.html
http://www.besser-bier-brauen.de/kolumnen/so-siehts-aus/das-reinheitsgebot-die-reine-wahrheit
http://www.europeanbeerguide.net/german/reinhede.htm
Nochmal der Podcast von Tim Pritlove mit Andreas Bogk:
http://cre.fm/cre194
Hallo Frank,
schöner Artikel, der das Problem beschreibt, dass wir „Deutschen“ schon lange nicht mehr die besten Biere brauchen. Übrigens gibt es durchaus Biere, die nach dem Gebot gebraut werden, mit Naturhopfen, ohne Klärstoffe und ohne Dunkelbierextrakt.
Das Problem ist eher Otto-Normal-Vollpfosten verständlich zu machen, dass ein Halbliter Bier selbst beim Direktkauf bei der Brauerei nur sehr schwer unter 8-10 € zu bekommen ist.
Empfehle zum Anschauen „Hopfen und Malz verloren“, sowie zur Geschichte des Biers mal einen Blick in „Die Geschichte der alltäglichen Dinge“ im Kapitel Küche oder Esszimmer.
Beste Grüße
Marc
Richtig gutes Bier hab ich mal in Prag getrunken.. In einem Biermuseum 🙂
Kann ich nur jedem empfelen der mal nach Prag will 🙂
Ich sag nur viel Spaß beim genießen!
Das Ulrichsbier aus der kleinen Brauerei Berg ist echt klasse.