Im römischen Reich gab es die römischen Bürger und alle anderen. Die römischen Bürger genossen Rechtsschutz, Privilegien und Wahlrechte. Alle anderen Bewohner des römischen Reiches waren quasi rechtlos und der Willkür ausgeliefert. Es scheint, die USA mit ihrer egozentrischen Weltsicht sieht das genauso. Die einzige rechtliche Voraussetzung, jemanden zu überwachen, besteht darin, dass derjenige wahrscheinlich kein us-amerikanischer Staatsbürger ist. Alle anderen sind Freiwild und rechtlos.

Die Illusion einer Weltgemeinschaft, in der die USA eine zwar gewichtige und vorragende Rolle spielen, lässt sich so nicht mehr halten. Die Welt ist in zwei Klassen eingeteilt: US-Amerikaner und andere. Die anderen darf man abhören, verschleppen, ausbomben, wenn sie nicht so agieren, wie das den US-Amerikanern passt. Einfach, weil man es kann.

Und wie reagiert die Weltgemeinschaft? Wenig Solidarität mit dem Mann, der uns das alles erzählt hat, Augen zu und durch. Keine Kritik, dass man so mit Verbündeten und Freunden nicht umgeht. Die Politiker hoffen auf schnelles Vergessen.

Der Mann, der die politsche Verantwortung für dieses Desaster trägt, wurde von der Weltgemeinschaft mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Hat das Nobelkomitee die Chuzpe, sich aufgrund dieser krassen Fehleinschätzung aufzulösen oder zumindest ein Statement zu setzen? Man hüllt sich in Schweigen. Seit Jahren wurde Bradley Manning für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen – das wäre eine mutige Entscheidung. Wen wird das Nobelkomitee dieses Jahr auswählen?

Natürlich hat Manning gegen Vorschriften und Gesetze verstoßen, in dem er der Weltöffentlichkeit militärische Geheimnisse verraten hat. Aber er hat das getan, was die Pflicht jedes moralisch denkenden Erdenbewohners ist. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind aufzudecken, egal wo und unter welchen Umständen sie geschehen. Das bricht untergeordnete Vorschriften, verpflichtet zum Widerstand. Den USA hätte gut angestanden, dieses anzuerkennen, statt Manning jahrelang unter unwürdigsten und menschenverachtenden Bedingungen einzusperren. Und jetzt Edward Snowden. Wieder einer, der das Unrecht nicht aushält, der das tut, was Pflicht eines anständigen Menschen ist. Der unterschieden kann zwischen Corpsgeist und Menschenrecht.

Besonders schlimm ist, dass nicht nur die USA abhören und elementare Menschenrechte verletzen. England, durch das ein großer Teil des weltweiten Datenverkehrs geht, hört in massivem Ausmaß ab. Und Deutschland baut ein neues Hauptquartier für den Bundesnachrichtendienst und leistet seit Jahrzehnten Hilfsdienste für die „vebündeten“ Geheimdienste. Gleichzeitig arbeiten fast alle im Parlament vertretenen Parteien an der Legalisierung verdachtloser Überwachung.

Dass das Postgeheimnis eine zentrale Bedeutung für die Möglichkeit eines freien Meinungsaustausches hat und auf moderne Kommunikationsmittel ausgeweitet gehört, scheint keinen zu interessieren. Hier und jetzt entscheidet sich: Freiheit oder ein totalitärer Überwachungsstaat zwischen Brave New World und 1984. Denkt daran, wenn ihr im Herbst wählen geht!